Wenn man das noch einmal nachvollzieht, dann bekommt man so langsam eine Ahnung, warum Dinge in der Kommunalpolitik so passieren…
Bereits im Jahr 2018 hatte der Landtag die Kommunalverfassung dahingehend geändert, dass Ortsteile ein eigenes Budget haben können, wenn die Gemeindevertreter da so mitgehen:
„(3a) In der Hauptsatzung können dem Ortsbeirat weitere Entscheidungsrechte über Angelegenheiten seines Gebietes eingeräumt werden. Insbesondere kann dem Ortsbeirat bis zu einer durch die Gemeindevertretung festzulegenden Grenze die eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnis über ortsteilbezogene
Veröffentlichung im GVBl
Aufwendungen und Auszahlungen im Rahmen eines Ortsteilbudgets übertragen werden.“
Und da ich nicht immer alle Publikationen lese, ging das an mir vorbei. Eigentlich sind ja auch die Bürgermeister gehalten, entsprechende Informationen weiterzuleiten, aber da versickert leider viel.
Erst Ende 2019 machte mich jemand bei einer Veranstaltung des Dörfernetzwerkes darauf aufmerksam. Ich recherchierte und fand wenig. Weder eine empfohlene Höhe des Budgets, noch klare Aussagen, was denn der Ortsbeirat mit diesem Budget bezahlen darf, fand ich im Netz. Ich beschloss, erst einmal die Finger davon zu lassen, da ich schon mal mit neuen Ideen eher auf taube Ohren stieß, als dass sie freudig aufgenommen wurden.
Trotzdem verfolgte ich das Thema weiter. Im Jahr 2020 gab es schon vereinzelte Ortsteile im Land Brandenburg, die das Thema umgesetzt hatten. Aber jeder auf seine Weise und oft auch so, dass ich zweifelte, ob diese Umsetzung denn so förderlich ist.
Es gab einige Gemeinden, die machten das Budget an der Einwohnerzahl fest und der Ortsteil wurde mit wenigen Euro pro Einwohner abgespeist. Wieviel Budget man dann mit 600 Einwohner zur Verfügung hat, kann sich jeder ausrechnen, wenn hier manchmal ein Ansatz von 2 bis 4 Euro zugrunde gelegt wurde. Andere mussten sich jede Ausgabe aus diesem spärlichen Budget von der Gemeindevertretersitzung genehmigen lassen.
Ich hatte das Gefühl, dass das alles nicht so passte. Was soll ich mit einem Budget, wovon ich noch nicht mal die Anschaffung einer Sitzgruppe bezahlen kann? Dann ist das letztendlich doch nur wieder so ein Alibiprodukt, welches Mitbestimmung und Eigenverantwortlichkeit vorgaukelt.
Als Ortsvorsteher hat man ja kaum etwas zu entscheiden. Eigentlich ist es noch schlimmer:
Die Bürger machen Vorschläge, weisen auf Missstände hin oder ähnliches. Dann geht der Ortsvorsteher zur Verwaltung und die sagen, wenn es nicht gerade etwas akutes oder gefährdendes ist, meistens nein. Weil Dinge Geld kosten und dafür nie, also wirklich nie, etwas im Haushalt eingestellt ist. Dann hakt man meistens so lange nach, bis die Verwaltung das im nächsten oder übernächsten Haushalt berücksichtigt und dann sind schnell mal drei Jahre vergangen, bevor z.B. eine fehlende Straßenlaterne gebaut ist.
Das ist kein Zustand. Und das ist auch für die gewählten Vertreter des Ortsbeirates unzumutbar. Denn die müssen oft noch das Nichthandeln der Verwaltung dem Bürger erklären. Und der fragt sich dann ernsthaft, warum er denn überhaupt so einen Ortsbeirat gewählt hat, wenn dieser nichts tun kann im Dorf.
Und das halte ich für sehr gefährlich. Gerade auf der untersten Ebene, also im Ortsteil, im Dorf, wo viele Menschen in Brandenburg leben, muss für den Bürger ersichtlich sein, dass ihre gewählten Vertreter auch etwas für sie tun. Wir wundern uns über das hohe Frustlevel innerhalb der Bevölkerung und tun wenig, um auf Ortsebene zu zeigen, dass es besser geht.
Und nun soll das Ortsteilbudget hier eine Verbesserung bringen. Das kann funktionieren. Aber nur, wenn folgende Punkte sichergestellt sind:
- ausreichend hohes Budget
- mit 1000 Euro kann keine Ortsteil etwas anfangen. Wenn Investitionen anstehen, muss man auch von vornherein eine Summe zu Verfügung haben, die Vorhaben nicht von gleich scheitern lassen
- es muss auch möglich sein, das Budget in das folgende Haushaltsjahr zu übernehmen
- es wird immer etwas geben, was nicht ins Budget passt, hier soll man ansparen können
- manchmal arbeitet aber auch nur einfach die Verwaltung zu langsam oder Entscheidungen werden zu spät getroffen, so dass das Budget im laufenden Jahr nicht ausgegeben werden kann
- der Ortsbeirat muss eigenverantwortlich handeln können
- also keine Abrechnung/Vorlage bei der Gemeindevertretersitzung
- die Verwaltung muss hier das Ehrenamt unterstützen, damit es rechtlich alles korrekt verläuft
- der Ortsbeirat muss aber auch ordentlich handeln und planen und sich seiner Verantwortung bewusst sein.
Und als Anfang 2021 die Hauptsatzung der Stadt Strausberg sowieso geändert werden sollte, habe ich dann einfach mal die Verwaltung drum gebeten, das Ortsteilbudget überhaupt in die Hauptsatzung aufzunehmen. Das hat erstaunlich problemlos funktioniert. Der zweite Schritt war dann, eine Beschlussvorlage für die Stadtverordnetenversammlung vorzubereiten und dort die Höhe des Budgets festzulegen. Hier war ich einfach mal frech und habe 10.000 Euro angesetzt. In die Hände spielte mir dann auch, dass der Landtag die Kommunalverfassung wieder geändert hatte und dieses Mal das Ortsteilbudget als verpflichtend hineingeschrieben hat. Es gab dann leichten Widerstand ob der Höhe des Budgets. Aber letztendlich hat dann unser Ortsteil für das Jahr 2022 10.000 Euro zur Verfügung. Nun heißt es, damit verantwortungsvoll umzugehen und sich im Ortsbeirat darauf zu einigen, wie man mit Ausgabewünschen verfährt.